Pfadfinder gestern und heute?

Ziele und Wege

Die vielen Fahrten in die Natur, bei denen die Gruppe auf sich allein gestellt ist, fördern das Sozialverhalten und die Teamfähigkeit. Die Bewältigung von alltäglichen Anforderungen fordert und fördert die Selbständigkeit und das Selbstvertrauen. Das Leben und positive Erleben in der Natur ist ein absolut wichtiger Bestandteil auf dem Weg zu einem schützenden Umweltbewußtsein.

 

Das Pfadfinderleben

Die Pfadfindergruppe mit etwa 10 Kindern bildet über fünf Jahre eine feste Gruppe, die durch einen ausgebildeten Jugendgruppenleiter betreut wird.

Die Aktivitäten teilen sich auf Gruppenabende und Fahrten, in die Umgebung des Rhein-Main Gebietes oder in den Ferien ins Ausland, auf. Auf den Gruppenabenden wird unter anderem gespielt, gewerkt, musiziert, geplant...

Zielsetzung & Methode...

Erziehung zum mündigen Bürger...

Der Gründer der Pfadfinderbewegung Baden Powell schreibt in seinem Buch "Souting for Boys": "Die Pfadfinderbewegung ist die Schule des mündigen Bürgers - durch die Kunst des Lebens in der Natur". In seinem Buch "Scouting for boys" bietet Powell den Jugendlichen viele verschiedene Beschäftigungen, besonders Aktivitäten im Freien, an. Es ging darum Kinder und Jugendliche, vorwiegend aus den unteren Schichten, von der Straße zu holen. Die Pfadfinderbewegung hat sich zur Aufgabe gemacht, die Kinder und Jugendlichen als eigenverantwortliche Persönlichkeiten zu erkennen und es ihnen zu ermöglichen, sich eine eigene soziale, gesellschaftliche und politische Meinung zu bilden und auch zu äußern. Dazu gehört auch, daß man andere Meinungen verstehen lernt. Solche Kinder und Jugendliche lassen sich später als mündige Staatsbürger nicht so leicht manipulieren oder unterdrücken.

 

Pfadfinder und Religion

Pfadfinder gehören verschiedenen Religionen an oder sind religiös nicht gebunden. Konfessionell gebundene Pfadfinderverbände arbeiten mit ihren Kirchen zusammen. Die Seepfadfinder- & Kanugilde Dreieich e.V. ist ein Zusammenschluß von Mädchen und Jungen aller Konfessionen. 

 

Internationale Verständigung

Die Toleranz gegenüber Menschen anderer Nationalitäten ist ein wesentlicher Bestandteil der Pfadfinderbewegung. Die internationale Verständigung ist ein primäres Ziel der Pfadfinderbewegung.

Geschichte

Auszug aus der aktuellen Brockhaus-Enzyklopädie: 

"Pfadfinder, größte freiwillige internationale Jugendbewegung der Erde. Zu den Grundprinzipien gehören die Arbeit in kleinen Gruppen und Altersstufen (...), die Tracht als gemeinsame Kleidung, bestimmte Regeln, pädagogische Leitlinien und Pfadfinderversprechen, die persönliche Verpflichtung und die Grundideen der Solidarität, Toleranz und Mitverantwortung. Ein Hauptanliegen der Pfadfinderbewegung ist die internationale Verständigung. (...) Lager und Fahrt spielen nach wir vor eine wichtige Rolle, ebenso die Heimabende und internationalen Begegnungen. Seit Beginn der 70er Jahren engagieren sich Pfadfinder und Pfadfinderinnen auch zunehmend bei Projekten der Dritten Welt und im Umweltbereich und befassen sich mit friedenspolitischen Aktivitäten. 1981 verlieh die UNESCO der Weltpfadfinderbewegungen ihren ersten Preis für Friedenserziehung"

Organisationsstrukturen

Weltweit sind über 25.000.000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus 237 Staaten in den beiden Pfadfinder-Weltorganisationen zusammengeschlossen. 

 

Pfadfinder in Deutschland

In Deutschland sind vier Gruppierungen anerkannte Mitglieder in den beiden Weltorganisationen: Der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP), der Zusammschluß nicht-konfessioneller Pfadfinderinnen und die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG), die Pfadfinderinnenschaft Sankt Georg (PSG) und der Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP). Neben diesen anerkannten Gruppierung, gibt es Deutschland auch nicht-anerkannte Gruppen und Verbände, die Pfadfinderarbeit leisten. Zu solch einer Gruppierung gehören wir.

 

Lager und Natur

Die Natur ist der bevorzugte Rahmen für pfadfinderische Aktivitäten. Sie gibt Raum zur Erholung und für Abenteuer und bietet so einen wichtigen Kontrast zum Leben in der Stadt. Das Leben in der Natur dient den Kindern und Jugendlichen als Ergänzungsfunktion zum täglichen Umfeld. Auf Lagern wird gemeinsam gekocht, baut man sich seine eigene Zeltstadt, spielt oder singt am Lagerfeuer. Auf "Hijkes" wandern die Pfadfinder mit Zelt und Verpflegung mehrere Tage durch die Landschaft, um Abstand zum täglichen Leben zu gewinnen. 

Durch die Zeit im Freien entwickelt sich eine enge Verbindung zur Natur, so ist das Leben in der Natur und der ökologische Einsatz für sie seit fast 80 Jahren ein Dauerthema.

 

Die Selbsterziehung und Führung im Dialog

Die Selbsterziehung der Kinder und Jugendlichen ist großes Anliegen der Pfadfinder. Die oberste Autorität ist immer das Kind selbst. Dies bedeutet, daß die Kinder und Jugendlichen ihre Erziehung in kleinen Gruppen selbst in die Hand nehmen sollen. Die Gruppen werden meist von jungen Leuten geführt, die nur wenig älter sind als die Gruppenmiglieder. Grundsatz hierbei ist die partnerschaftliche "Führung im Dialog". Durch selbstbestimmte Regeln - ob mit Hilfe des Pfadfindergesetzes oder den Gruppenregeln - setzen sich die Pfadfinder in ihrem offenen und liberalen Lebensfeld wichtige Grenzen, deren Einhaltung gemeinsam beachtet wird. Die Pfadfinderbewegung arbeitet nach den Wünschen der Kinder- und Jugendlichen ("look at the boy/girl"). Diese sollen ermutigt werden freiwillig zu lernen, anstatt indoktriniert zu werden. 

 

Die kleine Gruppe

Die Basis der Pfadfinder ist die Gruppe (Sippe) mit 6 bis 12 Mitgliedern - sie ist die kleinste, aber wichtigste Organisationsform. Sie ist in den Ort (Stamm) mit den anderen Gruppen eingebunden, soll aber möglichst unabhängig sein. Sie organisiert sich selbst und wird i.d.R. von einem oder mehreren Gruppenleitern geleitet. Manche Gruppen bleiben ein Gruppenleben lang mit den gleichen Leitern zusammen, andere Systeme wechseln in bestimmten Perioden ihre Leitung. Die Gruppe dient dazu, Liebesfähigkeit, Selbständigkeit, Phantasie, Verantwortungsbewußtsein und Urteilsfähigkeit zu entwickeln. In der Gruppe ist Demokratie real möglich. Innerhalb der Gruppen werden die Aufgaben so früh wie möglich aufgeteilt. Kinder und Jugendliche können nach dem Pfadfindergrundsatz "learning by doing" Dinge ausprobieren und haben das Recht Fehler zu machen, um daraus zu lernen. 

 

Das Ständesystem

Um eine altergerechte Erziehung der Kinder zu ermöglichen, arbeiten die Pfadfinder im Rahmen eines Ständesystems mit verschiedenen Methoden.

In der Kinderstufe steht das Spielen im Mittelpunkt. Pfadfinderische Werte wie Solidarität und Schutz der Natur und Tiere werden spielerisch vermittelt. In der Pfadfinderstufe bleibt das spielische Element zwar von Bedeutung, hinzu kommen aber die Vermittlung von pfadfindertechnischen Grundlagen für das Leben in der Natur und themenorientierte Gruppenstunden zu verschienden gesellschaftlichen Themen (z.B. Ökologie, Fremdenfeindlichkeit).

In der Knappen und Späherstufe spielt die Projektarbeit eine größere Rolle, die Jugendlichen werden an der Programmgestaltung beteiligt bzw. übernehmen sie selbst. Neben vielen gemeinsamen Unternehmungen "spaßiger" Natur, nehmen sich die Gruppen Zeit, bestimmte Themen ausführlicher zu behandeln (z.B. Religion, Umgang mit Randgruppen, Frieden, Entwicklungshilfe ...). Hinzu kommt, daß die Pfadfinderinnen und Pfadfinder nun mehr Aufgaben im Stamm (Ort) eigenverantwortlich übernehmen sollen.

 

Grundsätze, Gesetz und Versprechen

Die Grundsätze und das Gesetz der Pfadfinderinnen und Pfadfinder gründet sich auf drei Prinzipien, die von Baden Powell aufgestellt und 1977 von der Weltkonferenz neu gefaßt wurden. Sie sind weltweit gültig.

 

Die drei Grundsätze:

Erster Grundsatz: Verpflichtung gegenüber Gott. Das bedeutet, festhalten an den geistigen Grundsätzen Deines Glaubensbekenntnisses und Treue zu Deiner Religion mit allen daraus gewachsenen Verpflichtungen.

Zweiter Grundsatz: Verpflichtung gegenüber anderen. Das bedeutet, Treue gegenüber dem eigenen Land, Streben nach nationalem und internationalen Frieden und Verständigung der Völker, Mitarbeit bei der Weiterentwicklung der Gesellschaft mit Achtung und Ehrfurcht vor der Würde des Nächsten und vor der Unverletzlichkeit der Natur dieser Welt.

Dritter Grundsatz: Verpflichtungen gegenüber sich selbst. Das bedeutet, Verantwortung für die positive Entwicklung deiner eigenen Persönlichkeit.

 

Das Gesetz

Das offizielle Pfadfindergesetz besteht aus 10 Artikel. Jeder Artikel beginnt mit der Formulierung: "Der/die Pfadfinder/in ist ... hilfsbereit, ... Freund aller Menschen, ... tut jeden Tag eine gute Tat" usw.. Keine Pfadfinderin, kein Pfadfinder kann alle diese Gesetze gleichzeitig erfüllen, es handelt sich hierbei um Ziele, die zu mehr Gerechtigkeit und Frieden führen können.

 

Das Versprechen

Das Versprechen legen die Pfadfinder/innen in feierlichem Rahmen ab. Das Kind bzw. der Jugendliche erklärt seine freiwillige Bereitschaft, Mitglied der Gemeinschaft werden zu wollen und nach deren Regeln zu leben. 

 

Tracht, Abzeichen, Halstuch und Gruß

Pfadfinderinnen und Pfadfinder haben als Zeichen ihrer Verbundenheit verschiedene äußerliche Erkennungsmerkmale. Die Tracht, auch Kluft genannt, besteht aus einem Hemd bzw. einer Bluse, auf dem sich verschiedene Abzeichen befinden. Die Abzeichen machen deutlich, aus welchem Verband und Land, die/der Pfadfinder/in kommt. Rang- und Leistungsabzeichen sind aus pädogischen Gründen in Deutschland nur noch selten zu finden. Alle anerkannten Pfadfinderinnen und Pfadfinder tragen weltweit die beiden Zeichen der Weltorganisationen.

Das Halstuch ist ja nach Verband und Altersstufe verschiedenfarbig und wird zum Hemd/zur Bluse getragen. Im Rahmen internationaler Begegnungen können Halstücher als Zeichen der Freundschaft getauscht werden.

 

Der Gruß "Gut Pfad" und der Händedruck mit der linken Hand verdeutlichen noch einmal die Zusammengehörigkeit. 

 

Geschichte

Es ist unmöglich, an dieser Stelle eine komplette Version der Pfadfindergeschichte anzubieten, dazu ist sie zu komplex. Diese Ausführungen setzen den Schwerpunkt auf die Entwicklungen der evangelsichen Pfadfinderarbeit. Allerdings soll versucht werden, immer wieder den Bogen zu nationalen und internationalen Entwicklungen zu spannen. 

Evangelische Pfadfindergeschichte unterscheidet sich an vielen Stellen von nationalen und internationalen Entwicklungen der Pfadfinderbewegung. Ihr heutiges Selbstverständnis entwickelte sie aus verschiedenen Wurzeln und den Erfahrungen wichtiger Strömungen, die oft völlig konträr zueinander standen und stehen. 

Aus der Geschichte für die Gegenwart und die Zukunft lernen, ist das Ziel dieser Ausführungen. 

 

1900-1914

Der britische Scoutismus und seine Vorläufermodelle - Beginn der Pfadfindergeschichte ...

Die Pfadfindergeschichte beginnt am Anfang unserers Jahrhunderts in Großbritanien, einem Land, das wie viele andere Staaten unter großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten litt und in dem 1/3 der Bevölkerung unterernährt waren. Kinder und Jugendliche mußten, um sich und ihre Familie ernähren zu können, für einen Hungerlohn hart arbeiten, betteln oder krimminelle Handlungen verüben.

Die Kinder- und Jugendschutzfunktionen des Staates, wie wir sie heute kennen, gab in Europa und den USA damals noch nicht. Nur wenige Gruppierungen kümmerten sich um die Belange der Kinder und Jugendlichen. In England war dies die englischen Boy's Brigates, eine 1893 auf kirchlicher Basis von Sir William Smith gegründete Vereinigung, die mit Zeltlagern und einem Auszeichnungssystem arbeitete und in Amerika die 1905 gegründete Woodcraft-Bewegung von Ernest Thompson Seton, die sich das Leben der Indianer zum Vorbild bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen machte.

Zur gleichen Zeit machte in England ein Berufssoldat namens Robert Baden-Powell mit großen militärischen Erfolgen auf sich aufmerksam. In der Schlacht um die Verteidigung des südafrikansichen Städtchen Mafeking gelang es ihm aufgrund seiner unkonfensionellen Methoden und seines Einfallsreichtums, trotz Unterzahl eine monatelange Belagerung durch die Buhren zu überstehen. Das Rezept seines Erfolges lag in seinen Führungsmethoden. Als Hauptmann betreute er die Männer seiner Kompanie nicht herablassend oder patriarchalisch, sondern hatte für deren Bedürfnisse und Sehnsüchte Verständnis. Er erzog die Soldaten nicht zu blinden Befehlsempfängern, sondern zu eigenverantwortlichen Soldaten. Er rief eine Kompanie von miliärischen Pfadfindern ins Leben und erfand für sie besondere Abzeichen, teilte sie in kleine Gruppen und schulte sie im Umgang mit der Natur.

Zurück in England begann Baden Powell mit dem Bücherschreiben. Das erste von insgesamt 35 Büchern trug den Titel "Hilfen für Kundschafter" und war ein militärisches Ausbildungsbuch. Powells Verleger bemerkte allerdings schnell, daß dieses Buch von den britischen Jugendlichen mit großem Interesse gelesen wurde und er bat ihn ein weiteres Buch, speziell für Jugendliche, zu schreiben. Powell reagierte schnell, er wußte, daß er etwas für die katastrophale Lage der jungen Generation in Großbritanien tun mußte. Er begann das Buch "Scouting for boys" (Kundschafen für Jungen) zu schreiben und brachte seine militärischen Erfahrungen, seine persönlichen Lebenseinsellung und die Ideen der Boy's Brigates und Woodcraft-Bewegung ein.

Schon vor dem Erscheinen des Buches richtete Baden Powell 1907 auf der Insel Brownsea ein Zeltlager für 21 Jungen aus verschiedenen Schichten aus. Dieses Ereignis gilt als Geburtsstunde der Pfadfinderbewegung. Das Lager war ein voller Erfolg und es folgten mehrere kleine Lager im ganzen Land.

 

1908 veröffentlichte Baden Powell sein Buch "Scouting for boys", dasdie pfadfinderische Gedankenwelt und deren pädagogisches System beschrieb. Das Buch zeigte sofort tiefe Auswirkungen. Kurze Zeit später gründeten sich im ganzen Land Pfadfindergruppen. Die Pfadfinder begannen sich in Listen einzutragen. 1909 gab es in England bereits 60.000 Pfadfinder (Scouts). Im gleichen Jahr trafen sich über 10.000 Jugendliche in London zu einer ersten Versammlung auf nationaler Ebene, darunter auch zahlreiche Mädchen, die Baden- Powell darum baten, Pfadfinderinnen "Girl Scouts" werden zu können. Powell war anfangs mißtrauisch, erlaubte es den Mädchen aber dann, sich vorläufig in die Listen der Jungen einzutragen, innerhalb weniger Monate meldeteten sich 6.000 Mädchen. Powell beauftragte 1910 seine Schwester Agnes mit der Betreuung der Pfadfinderinnen.

 

Die ersten Pfadfinder in Deutschland

Das spätkaiserliche und preußisch geprägte Deutschland litt Anfang des Jahrhunderts an wirtschaftlichen Problemen, innenpolitischen Spannungen und außenpolitischen Bedrohungen. Viele Deutschen versuchten die Mißstände und die Angst mit einem gesteigerten Nationalismus und dem Glauben an militärische Macht zu verdrängen. Die militärische Erziehung der Jugendlichen war ein wichtiger gesellschaftlicher und staatlicher Auftrag.

Zur dieser Zeit, im Jahre 1909, erschien in Deutschland "das Pfadfinderbuch", die Übersetzung des Buches "Scouting for Boys". Das Vorwort der deutschen Ausgabe beschreibt die Zielsetzung wie folgt: "(...) Alle denen das Wohl der Jugend und damit auch die Sorge für die Zukunft des Volkes am Herzen liegt (...), haben schon lange mit schmerzlichen Bedauern erkannt, daß gerade in den Entwicklungsjahren vom Kinde zum Manne (...) bisher zu wenig geschah, um um dem heranwachsenden Geschlecht die körperlichen und moralischen Eigenschaften zu schenken, deren es zur Lösung der inmitten der wirtschaftlichen Kämpfe immer schwerer werdenden zukünftigen Berufsarbeiten so dringend bedarf (...)". Die Übersetzung des englischen Originals war sehr der damaligen Stimmungen im Deutschen Reich angepaßt und wurde entsprechend verändert. Nicht das pfadfinderische Erziehungssystem, sondern die Wehrertüchtigung stand im Mittelpunkt. Die Jugend wurde in den im gleichen Jahr entstandenen Pfadfindergruppen auf den Waffendienst vorbereitet. Diese Gruppen waren straff organisiert und orientierten sich am staatlichen Obrigkeitssystem. 

 

Die ersten evangelischen Pfadfinder

1910 gab es die ersten Pfadfindergruppen innerhalb der evangelischen Jünglings- und Jungmännervereine. Etwa 10.000 evangelische Jugendliche vorwiegend aus Sachsen und Württemberg verpflichteten sich dem pfadfinderischen Losungswort "Allzeit bereit" im Sinne christlicher Hilfsbereitschaft. Den Rahmen gab die Bibel- und Missionsarbeit und die preußische Felddienstordnung. In Württemberg waren die militärischen Strukturen aufgrund der Traditionen von Jugendwehren besonders ausgeprägt. Es war in den evangelischen Pfadfindergruppen nur wenig von den Ideen der "freideutschen Jugend" (die 1913 die Hohe Meißner Formel beschwor: "Wir wollen aus eigener Bestimmung, von eigener Verantwortung und innerer Wahrhaftigkeit unser Leben gestalten") zu spüren. Man unterwarf sich stattdessen der autoritären Führung des Obrigkeitsstaates.

Die Kriegspfadfinderei ...

Als 1914 der Krieg ausbrach, gab es nur wenige evangelische Pfadfinder, die sich gegen den Krieg aussprachen. Stattdessen übernahmen ganze Pfafindergruppen oft freiwillig militärische Aufgaben und zogen euphorisch für das "Vaterland" in den Kampf. 

Die Folgen des Krieges waren katastrophal: Die Zahl der evangelischen Pfadfinder war von 10.000 zu Beginn des Krieges auf 1.500 im Jahre 1914 gesunken. Nun fehlte es an älteren und erfahrenen Leitern. Die Gruppen mußten von nur zwei bis drei Jahre älteren Pfadfindern geleitet werden. Aus dieser Notlage entstand eine wichtige Methode des deutschen Pfadfidertums: Die aktive Beteiligung der Jugend selbst an der Leitung der Gruppen, wie sie in der Jugendbewegung des Wandervogels schon lange üblich war und sich bewährt hatte.

 

1915 - 1945

Die bündische Phase

In den ersten Nachkriegsjahren verlor die evangelische Pfadfinderschaft ihre Orientierung. Die bisherigen gesellschaftlichen Grundvorstellungen galten nicht mehr. Den Pfadfindern wurde Mißtrauen und Verachtung entgegengebracht. Die Pfadfinderei verlor ihre vormilitärische Funktion.

1919 brach mit der Demokratisierung in Deutschland die frei gewordene bündische Jugendwelle aus. Die Wandervogel-Bewegung beginnt sich mit Teilen der deutschen Pfadfindergruppierungen zu verschmelzen (Die Wandervogelbewegung enstand 1895 in Berlin und suchte durch das Leben in der Natur neue jugendgemäßere Lebensformen). 

1921 schließen sich die evangelischen Pfadfindergruppen zur christlichern Pfadfinderschaft Deutschlands (CPD) zusammen und verfassen die Neudietendorfer-Erklärung, die eine Arbeit nach sozialdiakonischen und lebensreformerischen Zielen forderte. Die CPD arbeitete nach bündischen und pfadfinderischen Vorstellung und stellte die Bibelarbeit "als Herzstück der Erziehung zum christlichen Pfadfinder" in den Mittelpunkt.

Bis Anfang der 20er-Jahre gab es in Deutschland in der evangelischen Pfadfinderbewegung nur die männlichen Pfadfinder der CPD. 1922 entstanden aber dann die ersten Gruppen des Bundes Christlicher Pfadfinderinnen (BCP), der seine entscheidenen Wurzeln in der bündischen Jugend hatte. 1926 folgte der Evangelische Mädchenpfadfinderbund (EMP), sie enststand aus der Evangelischen weiblichen Jugend. 

Ende der 20er Jahre, die Weimarer Republik steckte in einer tiefen innenpolitischen Krise, nahm der Nationalismus in weiten Kreisen der Christlichen Pfadfinderschaft wieder zu. 

Grundsätzlich war die evangelische Pfadfinderarbeit unpolitisch, aber in wichtigen nationalen Fragen wurde immer wieder um eine Position gerungen. So stand man der Weimarer Republik und ihren Parteien sehr ablehnend gegenüber. Kommunisten und Sozialdemokraten wurden von vielen Pfadfindern wegen ihrer "Gottlosigkeit" abgelehnt. Zur Wahl der NSDAP wurde aber nicht aufgerufen, da "ihr Antisemitismus für Christen eine Unmöglichkeit ist". Dennoch war mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten die Hoffnung verbunden, daß die "chaotischen Verhältnisse der Weimarer Republik und der zuchtlosen Demokratie" ein Ende nahmen. 

1930 trat die CPD aus dem liberaleren Pfadfinderverband aus und entwickelte sich zu einem selbständigen Jugendverband. 

 

Evangelische Pfadfinderinnen und Pfadfinder im Nationalsozialismus

Die Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 wurde von der CPD als nationale Revolution erlebt. Die CPD bot ihre Mitarbeit "an den harten und schweren Aufgaben" an. Die CPD war der Ansicht, daß Kirche und Staat aufeinander angewiesen seien. Der Kirche falle volksmissionarischeAufgaben zu, in deren Dienst sich die CPD zu stellen habe. 1933 wird auf dem Reichslager in Meissen beschlossen: "Die CP kämpft für das Reich der Deutschen, dient in treuer Liebe dem Volk und stählt in harter Zucht den Leib, gehorcht der gottgesetzten Obrigkeit". Der Reichsführer ordnet statt des Pfadfindergruß den deutschen Gruß an, die Hakenkreuzbinde wird Teil der Tracht. Die CPD tritt aus dem Reichsverband der evangelischen Jungmännerbünde aus.

In den nächsten Monaten wechseln ganze Jungenschaften geschlossen zur Hitlerjugend oder in die SA. Die HJ versucht massiv Jugendliche abzuwerben. Die Utopie der CPD, daß es im neuen Deutschland eine Aufgabenteilung im Bereich Jugendarbeit zwischen Kirche und Staat geben wird, entpuppt sich als Illussion. Der Nationalsozialismus wird stattdessen zur Religion erhoben und die HJ zur Staatsjugend ernannt. Erst als die CPD dies erkennt, ändert sie ihren Kurs. Die CPD versucht die drohende Eingliederung in die HJ zu verhindern. 

1934 wurde in einem Staatsvertrag zwischen Kirche und HJ beschlossen, daß alle Angehörigen der CP unter 18 Jahren in die HJ einzugliedern sind. Die Reaktionen darauf war sehr unterschiedlich. Sie reichten von heimlichen und illegalen Treffen und dem Anschluß an die Kirchengemeinden bis hin zur Ansicht, die Hitlerjungend könnte von innen reformiert werden. Teile der evangelischen Pfadfinder engagieren sich in der "Bekennenden Kirche" und führten mit Pfadfindern der "Deutschen Christen" harte theologische Auseinandersetzungen. 1935 wird die Pfadfindertracht und 1937 die Arbeit der über 18-jährigen von der Gestapo verboten.

Beim Evangelische Mädchenpfadfinderbund gingen die Pfadfinderinnengruppen nach der Eingliederung in die Hitlerjugend in "Dienstscharen" in den Kirchen auf. Es bestand zu dieser Zeit Kontakt zur Bekennenden Kirche. Der Bund Christlicher Pfadfinderinnen wurde im 3. Reich zerschlagen, begann seine Arbeit aber trotz des Verbotes bereits 1942.

Entwicklungen der Weltpfadfinderbewegung ...

1920 fand das erste Welt-Treffen der Pfadfinder in der Olympia-Halle in London statt. An diesem Word-Jamboree (Welttreffen) nahmen 8.000 Pfadfinder aus 34 Staaten teil. Es gab weltweit bereits 1.000.000 Pfadfinder. In den dreißiger Jahren folgte die Zeit der Nationalisten in Europa. In Italien wurde schon 1927 das Pfadfindertum durch Mussolini aufgelöst und durch eine staatliche Jugendorganisation, die "Balilla" ersetzt. Baden-Powell beschreibt die Begegnung mit Mussolini wie folgt: "Als Mussolini seine Gründe für die Schaffung der "Balilla" und die Prinzipien deren Ausbildung erläutert hatte, die ihm zufolge aus der Pfadfinderbewegung hervorging, bat er mich meine Kritik auszusprechen. Darauf antwortete ich, daß seine Bewegung nicht aus freiem Willen, sondern auf Zwang beruhte. Er habe einen engen Nationalsozialismus im Auge, statt den Geist der weiten internationalen Verständigung zu fördern. Es handele sich um ein rein pysisches Training, das die geistige Seite nicht entwickele."

1941 starb Baden-Powell, inzwischen geadelt, im Alter von 84 Jahren. 

1946 - heute

Der Neuanfang

Nach dem Krieg mußten für den Neuanfang Lizensen von den Siegermächten eingeholt werden. Die Arbeit konnte nur zonenweise fortgesetzt werden. Die evangelischen Pfadfinderinnen und Pfadfinder begannen ihre Arbeit nach den Traditionen der bündischen Phase vor dem II. Weltkrieg. Die sozialen und pfadfinderischen Akzente zeigten sich wieder und verstärkten sich im Laufe der Jahre. Die Form der Arbeit war allerdings weiterhin und besonders innerhalb der CPD sehr traditionsbewußt: kurze Lederhosen, Aufmärsche, Probenarbeit, Morgenapell, Bibelarbeit usw.. 

1948 wurde der Ring deutscher Pfadfinderbünde gegründet und zwei Jahre später wurde Deutschland in die beiden Weltpfadfinderorganisationen aufgenommen.

 

Die 68er-Bewegung

Die Einflüsse der 68er-Bewegung veränderte die Arbeit grundlegend. Die traditionellen Rituale, Begriffe, Führungsmethoden und religiösen Praktiken wurden grundlegend in Frage gestellt. Das Ergebnis war eine veränderte Arbeitsweise, die sehr stark pädagogisch und emanzipatorisch orientiert war. 1973 kam es zum Zusammenschluß der evangelischen Pfadfinderinnen- und Pfadfinderbünde (EMP, BCP und CPD) zum Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP).

 

Die Friedensbewegung

Auch die Friedensbewegung übte starken Einfluß auf den VCP aus. Mit dem Motto: "Pfadfinder für den Frieden / Unsere Sache: Erziehung zum Frieden" machte der VCP in den 80er Jahren deutlich, daß er sich als Teil der Friedensbewegung sieht. Projektbezeogene Arbeit gewann in dieser Zeit immer mehr an Bedeutung. Viele Lieder, die heute von Pfadfindern gesungen werden, stammten aus dieser Zeit.

Die Ökologie-Bewegung und die Arbeit gegen die Ausgrenzung gesellschaftlicher Gruppen...

Der aktive Schutz der Umwelt, aber auch das Eintreten gegen die Ausgrenzung gesellschaftlicher Gruppen sind heute zentrale Themen der Pfadfinderarbeit.

Hinzu kommt, daß in vielen Stämmen die bündischen Elemente (Leben in der Natur, starkes Gemeinschaftsgefühl und Singen, auch zeitkritischer Lieder), wieder mehr an Bedeutung gewinnen.

Entwicklungen der Weltpfadfinderbewegung ...

1981 erhielt die Pfadfinderbewegung den UNESCO-Preis für die "Erziehung zum Frieden". 1982 folgte der Schmidheiny-Preis der Freiheit für den Beitrag des Pfadfindertums zur Bewahrung der menschlichen Würde.

Anfang

 

Aktuelle Entwicklung und Perspektiven

Gesellschaftliche Entwicklungen gingen und gehen an der Pfadfinderarbeit nicht spurlos vorüber. Pfadfinderinnen und Pfadfinder bewahren ihre traditionellen Ziele und Rituale, versuchen aber gleichzeitig am Puls der Zeit zu bleiben. Die Entwicklungen vor dem 1. Weltkrieg und der 30er-Jahre zeigen, daß die Pfadfinderarbeit alle gesellschaftlichen Entwicklungen kritisch hinterfragen muß.

Heute haben sich die positiven Einflüsse auf die Pfadfinderbewegung in Deutschland - von den Ideen des Wandervogels bis hin zur Friedensbewegung - durchgesetzt und bilden ein festes Fundament. Pfadfinderarbeit bedeutet, Verantwortung für die Entwicklung einer demokratischen und gerechten Gesellschaft zu übernehmen.

Das selbständige Leben in der Natur und das Erleben der Gemeinschaft bleiben auch für Kinder und Jugendlichen in unserer Mediengesellschaft ein wichtiger und attraktiver Ausgleich.

Ein großes Problem ist, daß die Pfadfinderarbeit vorwiegend Kinder und Jugendliche aus den mittleren und oberen Schichten erreicht. Kinder und Jugendliche aus der unteren Schicht sind kaum vertreten, obwohl diese Gruppe eine sinnvolle Freizeitgestaltung besonders notwendig hätte.

Der Generalsekretär des männlichen Weltverbandes Laszlo Nagy forderte vor einigen Jahren die Erneuerung der Pfadfinderbewegung, die ursprünglich für besonders benachteiligte Kinder und Jugendliche gedacht war, zu einer wirklich populären Bewegung.